Legitimerweise kann es unterschiedliche Ansichten über Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Pensionsantrittsalter und Pensionshöhe geben. Jedoch ist die Gruppe der Pensionistinnen und Pensionisten und jener, die es bald werden, die mit Abstand größte WählerInnen- und Interessensgruppe. Etwa ein Drittel der Wählerinnen und Wähler ist 60 Jahre und älter (Quelle: diesubstanz.at), mit schnell steigendem Trend.
Daher ist es politisch fast unmöglich, sich als politische Partei gegen eine (außertourliche und großzügige) Erhöhung der Alterspensionen auszusprechen. Ökonominnen und Ökonomen sprechen von einem sozialen Dilemma oder Gefangenendilemma: Eine etwas restriktivere Politik würde zu mehr Spielräumen im Budget für Zukunftsausgaben führen und deshalb wahrscheinlich von vielen Parteien bevorzugt werden, aber jede Partei hat einen Anreiz, großzügig gegenüber der wichtigen Wählergruppe zu agieren. Sobald sich eine Partei für eine großzügige Politik ausgesprochen hat, ist es besonders schwierig für die anderen, sich dagegen auszusprechen. Selbst die Wirtschaftsforscherin bzw. der Wirtschaftsforscher spürt, wie viel Emotion in dem Thema ist und wie schwierig eine sachliche Diskussion ist.
Umso wichtiger erscheint mir, dass die politische Kommunikation offen, transparent und weitsichtig ist und dass Entscheidungen evidenzbasiert und auf Basis eines langfristigen Konsenses getroffen werden – und vor allem möglichst unaufgeregt.
Ein Blick in die Zukunft
Glücklicherweise gibt es mittlerweile relativ viel Evidenz und auch ganz gute Prognosen über die Entwicklung des Pensionssystems und seiner Kosten, vor allem von der EU und der OECD. Die Alterssicherungskommission, die Nachfolgerin der Pensionskommission in Österreich, wartet dagegen leider schon ziemlich lange auf ihre Konstituierung. Trotzdem wissen wir, dass die öffentlichen Kosten für die Alterspensionen von heute knapp 14 % des BIP auf knapp 15 % im Laufe der kommenden Jahrzehnte steigen werden; allerdings unter recht optimistischen Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung. Es könnte also auch etwas teurer werden Etwa ein Viertel des Bundeshaushalts wird für Pensionen, Pensionszuzahlungen oder Sozialleistungen im Pensionssystem ausgegeben.
Jeder weitere Anstieg verdrängt unweigerlich wichtige Zukunftsinvestitionen, insbesondere in Zeiten, in denen klar ist, dass der demographische Wandel ohnehin zusätzliche Kosten verursachen wird, im Gesundheitsbereich oder bei der Pflege. Ganz abgesehen davon, dass es offensichtlich großen weiteren öffentlichen Finanzierungsbedarf in den Bereichen Forschung, Justiz und Verteidigung gibt.
Das österreichische Pensionssystem
Das österreichische Pensionssystem ist eines der leistungsstärksten, aber natürlich auch eines der teuersten der Welt. Es ist nicht schlecht für den demographischen Wandel gerüstet; die zusätzlichen Kosten kann man über moderate und vernünftige Anpassungen bei den zentralen Parametern – Antrittsalter, Beiträge, Pensionshöhe – abfedern, ohne dass die Zuzahlungen aus dem staatlichen Budget steigen. Idealerweise sollen diese abnehmen, um Geld für Zukunftsinvestitionen frei zu bekommen. Mit einer klarer strukturierten und passgenaueren Förderung der 2. und gegebenenfalls der 3. Pensionssäule kann dieses Ziel unterstützt werden.
Der Fokus muss auf Finanzierbarkeit liegen
Wenn Österreich jedoch in Zeiten sprudelnder Beitrags- und Steuereinnahmen, die wir glücklicherweise aufgrund der guten Konjunktur die letzten Jahre hatten, die Leistungen immer wieder über Gebühr ausweitet, wird sich schon recht rasch Ernüchterung einstellen. 1963 war der geburtenstärkste Jahrgang in der Geschichte Österreichs; 2023 werden die damals Geborenen 60 Jahre alt.
Recht rasch nehmen die Geburtenzahlen und damit die BeitragszahlerInnen danach wieder ab. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre beginnen in Alterspension zu gehen – und das wird sehr bald der Fall sein – werden jetzt noch finanzierbare Ausweitungen der Leistungen sehr bald schon zu Finanzierungsproblemen bei den Kassen und beim Staat führen, insbesondere dann, wenn das wirtschaftliche Wachstum einmal geringer ist als in den letzten Jahren. Die mittel- und langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems muss daher stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt werden, um ein ständiges „Herumdoktern“ am System zu vermeiden und allen Beteiligten Planungssicherheit zu geben.
Martin Kocher ist Direktor des Instituts für Höhere Studien und Professor am Institut für Volkswirtschaft der Universität Wien.