Am Anfang war alles zu Ende. Schlagartig hat die Pandemie unser Leben in vollem Lauf aus der Bahn geworfen. Ein Virus als Musterbeispiel für Disruption. Aber Corona hat sich auch als Evolutionsbeschleuniger erwiesen. Was noch vor kurzem unvorstellbar, musste plötzlich funktionieren: Büroarbeit, ohne ins Büro zu gehen; Einzelhandel ohne Ladengeschäft; Gastronomie ohne Gäste.
Vieles davon hat auch funktioniert, erstaunlich gut sogar. In der akuten Krisensituation war Improvisation angesagt. Substantielle Fragestellungen konnten vorerst zur Seite geschoben werden. Der Übergang zur Post-Corona-Zeit erfordert allerdings nachhaltige Antworten. Das gibt uns die Chance, eingefahrene Denkweisen auf den Prüfstand zu stellen.
Zurück ins alte Spiel? Oder der Beginn eines neuen Spiels
Vor uns liegt eine Weggabelung. Auf der einen Seite liegt die Sehnsucht, möglichst rasch wieder an den „Normalzustand“ vor Corona anschließen zu können. Die Zukunft als Hoffnung auf eine Rückkehr zum business-as-usual.
Auf der anderen Seite steht die Einsicht, dass wir nach Corona nicht in das gleiche Unter-nehmen zurückkehren werden, das wir zu Beginn der Krise verlassen haben. Zuviel ist inzwischen geschehen. Corona ist nicht nur eine kurzfristige Unterbrechung, eine gigantische Dekonstruktion des Alltags, sondern eben auch Treiber für einen fundamentalen Wandel.
Die logische Reaktion von Unternehmen darauf muss das Bekenntnis zu einem neuen Spiel sein, in dessen Kern eine Aufbruchserzählung steht – und Innovation. Dieser Teil der Wirtschaft will nicht mehr zurück ins alte Spiel, im Gegenteil, er drängt nach vorne in eine neue Welt.
Vom Ego-System zum Eco-System
Diese neue Welt ist vielschichtig, widersprüchlich, komplex. In ihr entfaltet die Digitalisierung ihre volle Sprengkraft; Nachhaltigkeit und Ökologie wandeln sich von der Zierleiste unter der normalen Geschäftstätigkeit zum echten Game-Changer.
Alleine auf sich gestellt wird es keinem Unternehmen gelingen, in dieser neuen Welt aufzublühen oder auch nur zu bestehen. Individuelle Exzellenz reicht nicht mehr aus. Am deutlichsten demonstriert das die rasant wachsenden Plattformökonomie. Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei: Wir schöpfen zwar unsere Kraft aus uns selbst, brauchen aber andere, um Erfolg zu haben. Der Fokus der Führungsarbeit, der Geschäftspolitik und der Innovationstätigkeit darf sich nicht länger nach innen richten, sondern viel stärker nach aussen: Nach vorne, aber auch zur Seite – zu Partnern, in das Netzwerk und übrigens auch hin zu Mitbewerbern. Kooperation, Koopetition als Schlüssel zum Erfolg. Es geht um den Aufbau von Öko-Systemen statt Ego-Systemen.
Es geht ums Ganze
Die Welt nach Corona entsteht durch Entscheidungen, die jetzt gefällt werden. Nicht ins alte Spiel zurückzufallen, sondern mutig ins neue Spiel zu gehen, das ist nicht nur eine Frage von technologischer Kompetenz oder kaufmännischem Geschick, sondern vor allem von Haltung und Einstellung.
Denn Am Ende war alles ein Anfang.
Franz Kühmayer zählt zu Europas einflussreichsten Vordenkern. Er arbeitet als Trendforscher am ZUKUNFTSINSTITUT in Frankfurt und steht der österreichischen Unternehmensberatung REFLECTIONS vor. Zu den Themen Führung und Arbeit publiziert er seit Jahren regelmäßig. Sein Podcast „Blick nach vorne“ zählt zu den populärsten Business-Podcasts im deutschsprachigen Raum. www.franzkuehmayer.com